Projekte

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Filmprojekt:

Nussbaum – Felix und Felka

 

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Emy Roeder, in: Women Masters (Maestras), Museum Thyssen-Bornemisza Madrid.
 

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Rudolf Levy, Work an Exile, Die kleine Arnthal, Uffizien, Palazzo Pitti,  Florenz.

Prof. Dr. Horst Bredekamp rückte in seinem Vortrag das Augenmotiv in Felix Nussbaums Werk in den Fokus und analysierte daraufhin Etappen der europäischen Kunstgeschichte. Er vertieft so das Verständnis für die Bedeutung und Symbolik von Augen in der Kunst und eröffnete neue Perspektiven auf die Werke von Felix Nussbaum und andere Kunstschaffende.

„Zu Recht hebt die Ausstellung über Felix Nussbaums Vermächtnis die Bedeutung des Augenmotivs hervor. Der Vortrag versucht, Etappen der europäischen Kunstgeschichte auf dieses Element hin zu befragen, um zu versuchen, die tiefgründige Doppelbotschaft der Augen zu erschließen. Diese liegt darin, die Außen- mit einer Innensicht zu verbinden und die Gegensätze von Widerstand und Verletzung, Gewalt und Inversion in eine komplexe Bildsprache zu überführen.“ Horst Bredekamp

Prof. Dr. Horst Bredekamp ist eine herausragende Persönlichkeit auf dem Gebiet der Kunstgeschichte. Seine wegweisenden Arbeiten in der Ikonologie und Bildwissenschaft haben das Verständnis von Bildern und visueller Kultur entscheidend erweitert.

Besonders hervorzuheben ist seine Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Kunst und Naturwissenschaften in der Renaissance und späteren Epochen. Seine Arbeiten haben gezeigt, wie diese Verbindung zu bedeutenden Entwicklungen geführt hat und haben die Interaktionen zwischen Kunst und Wissenschaft auf eindrückliche Weise beleuchtet.

Prof. Dr. Horst Bredekamp hat an angesehenen Universitäten wie der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Hamburg gelehrt und genießt höchstes Ansehen in der akademischen Gemeinschaft. Er wurde für seine bahnbrechende Forschung mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen gewürdigt.

Der Vortrag fand in Kooperation mit der Felix Nussbaum Foundation statt.

Jaqui auf der Straße – 1944
Dankesrede an Herrn Prof. Dr. Horst Bredekamp, Oktober 2023


Sehr geehrter Herr Bredekamp,

dass Sie heute, an dieser Stelle, in diesem Moment zu uns sprechen werden, ist als ein großes Glück zu bezeichnen. Es hätte vor allem, dem inzwischen weltweit bekannten Künstler Felix Nussbaum, der nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland bis Anfang der 70er Jahre  des letzten Jahrhunderts vollkommen in Vergessenheit geraten ist,  eine große, ihn tief ergreifende Freude bereitet. Dessen Werk, und das ist heute kaum vorstellbar, das noch Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts wie ein Komet in die Berliner Kunstwelt eingeschlagen hatte, ist erst in den 90er Jahren, gleichsam wie der Feuervogel Phoenix aus der Asche, auferstanden. Dass wir sein Werk heute wieder anschauen können, ist maßgeblich seinen zwei israelischen Cousinen zu verdanken, die das restliche Oeuvre, wie etwa einen aufbewahrten Schatz, Anfang der 70er Jahre von Brüssel, in einer filmreifen  Nacht- und Nebelaktion, nach Osnabrück brachten.  

 Felix Nussbaum lebte nach Flucht und einer Odyssee durch Europa, bis zu seinem Verrat, zusammen mit seiner Ehefrau Felka in existenzbedrohter Angst, von den Deutschen verfolgt, gequält, gepeinigt und gehetzt im belgischen Exil in Brüssel.  Das Künstler/innenpaar wurde im August 1944, mit dem letzten Transport von Mechelen in Belgien, in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert und dort, nach dem 20. September 1944, vergast. Über ein Sterbedatum gibt es keine Erkenntnisse.

 Sehr geehrter Herr Bredekamp, Ihre Vorlesungen zu Michelangelo im WS 94/95 verbleiben stets in der Erinnerung Ihrer Berliner Student/innen, weil Sie in dessen rebellische Künstlerseele selbst, wie mit dem Instrument einer Zeitmaschine, gleichsam als unmittelbarer Zeitgenosse, eingetaucht sind. Sie saßen, so schien es, dem Bildhauer, in seinem Atelier am Trajanforum in Rom, in etwa an demselben Tisch gegenüber.  Zuhörerinnen erzählten schließlich sogar, das da jemand die Vorlesung gehalten habe, der den Marmorblock aus Carrara quasi selbst, in eigener Regie, bearbeitet hatte.

Genau das ist an dieser Stelle mein Aspekt mit der Zeitmaschine. Nur mit diesem fingierten Gefährt können wir annähernd in den Moment eintauchen und rekonstruieren, was die Menschen in der Epoche der Entstehung eines Kunstwerkes, in etwa gedacht haben. Ein anderes Beispiel aus Freiburg i. B. zeigte wie Student/innen mit grobem Unwohlsein den Vorlesungssaal verließen, weil Prof. Dr. Wilhelm Schlink in medizinischer Genauigkeit, gleichsam gnadenlos, die Pestbeulen des gekreuzigten Christus, verursacht durch das Antoniusfeuer, am Isenheimer Altar beschrieb. Mit Sprache sich Bildern zu nähern, ist oft eine fachspezifisch unfassbare, mentale, manchmal sogar körperliche Leistung und Anstrengung, eben um Wörter gleichsam ringen zu müssen.

 Lieber Herr Bredekamp, Sie haben  sehr viele Student/innen für Ihre  neue, interdisziplinär ausgerichtete Bildwissenschaft (Theorie des Bildakts) begeistern können; insbesondere durch Ihre eigene Panempathie, eben jenes allumfassende Einfühlungsvermögen. Diesen Begriff haben sie zwar in Ihrem neuen bahnbrechenden Werk für den Charakter Michelangelos prägend eingeführt, aber genau so auch für Ihre Student/-innen und das Institut der Humboldt Universität nachweislich geltend gemacht.

 Das Phänomen des Bildakts, gleichsam wie das des Sprechakts, das Bilder sich im Dialog mit uns in vielfältiger Magie aktiv, emotional und affizierend, dynamisch und lebendig  zuwenden  können, trifft insbesondere auf die Werke Felix Nussbaums zu. Ich halte hier eine kleine japanische Monografie zu Felix Nussbaum, mit diesem elegischen Titelbild, in  Kanji-Schrift verfasst, hoch. Genau an dieser Stelle manifestiert sich die universell begreifbare Bildsprache Felix Nussbaums; eben durch seine weltumspannenden, zeitlosen Pathosformeln. Dank ihrer sakral anklingenden Eindringlichkeit bewegen sie die Menschheit vom Eskimo, über den balinesischen Schamanen, bis hin zum nordamerikanischen Hopi-Indianer in kaum erfassbarer Tiefe. In etwa so hätte es der jüdische Kunsthistoriker Aby Warburg vermutlich noch viel besser am Beispiel seines, die Kulturen dieser Erde  umspannenden Bilderatlas, formulieren können.

 Felix Nussbaums Kunst erfasst uns  in einem gleichsam unvorbereitetem Augenblick,  in einem Moment des Coup d`oeuil (Augenfangs); so hatte es das Genie Leonardo da Vinci schon bildlich vorformuliert. Die ausgewählten Werke in dieser fantastischen Ausstellung besetzen unser Gedächtnis dauerhaft. Es sind Felix`s rebellische Blicke und die Augen der  Menschen in seinen Bildern, die uns magnetisierend und fixierend, aber auch gleichzeitig dynamisch konzentriert anschauen. Wohl auch deshalb lassen uns diese Bilder niemals los. Wegen ihrer transzendentalen, zarten und elegischen Schönheit berühren sie die Menschheit in einer die Zeit überspannenden Gültigkeit.

Hubertus Schlenke